Rund um den Hutturm

Der Bürgerbrief Nr. 78

Juni 2002

 

Inhalt

Die erste Straßenbeleuchtung in Walsdorf

In Walsdorf kann niemand mehr zu „Engels“ gehen

Die aktuelle Leitungswasser-Qualität

Vom Gulden zum Taler und vom Taler zur Mark

Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe im 20. Jahrhundert. (Teil 3)

Informationen zur Okergewinnung

Herausgeber Bürgerverein Walsdorf e.V.

 

 

 

 

 

 

Die erste Straßenbeleuchtung in Walsdorf

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Walsdorf keine öffentliche Straßenbeleuchtung. Wenn jemand bei Dunkelheit die Straße benutzen wollte, ging er ohne Licht oder im besten Falle mit einer Laterne mit brennender Kerze oder einer Petroleumlaterne. In früheren Jahrhunderten kam es aber auch vor, dass die Menschen mit offenem Feuer wie Fackeln oder Kienspänen über die Straßen gingen, wodurch die strohgedeckten Fachwerkhäuser natürlich extrem gefährdet waren.

1898 hatte das Landratsamt die Gemeinde aufgefordert, Laternen für eine Straßenbeleuchtung anzuschaffen. Es wurde der Gemeinde empfohlen, „die in der Stadt Idstein abgelegten Laternen zu kaufen.“ Die Gemeindevertretung beschloss in ihrer Sitzung vom 13. Februar aber , dass „eine Straßenbeleuchtung für die hiesige Gemeinde noch nicht errichtet werden soll.“ 7 Jahre später war man dann dazu bereit. Bis zum 1. Oktober 1905 sollten Straßenlaternen angeschafft werden. Die Entscheidung darüber, bei wem und wie viele gekauft und wo sie angebracht werden sollten, überließ die Vertretung dem Gemeindevorstand. Bürgermeister Roth und der Schöffe Wilhelm Hohl kauften in einem Limburger Lampengeschäft 15 Straßenlaternen, das Stück für 12 Mark. Der Schlosser Gustav Götz fertigte für 68 Mark die Laternenhalter an. Das Anzünden und Löschen der Laternen wurde öffentlich vergeben. Festgelegt wurde, dass vom 7. August 1905 an die Laternen bei Anbruch der Dunkelheit angezündet werden und bis 23 Uhr brennen sollten. August Jeckel übernahm diese Arbeit für 106 M. im Jahr, also für knapp 30 Pfennig pro Tag (zum Vergleich: ein Brot kostete 45 Pfg.). Zwei Petroleumkannen für 2,40 M. lieferte ein Wörsdorfer Spengler, und die zum Anzünden erforderliche Leiter stellte die Gemeinde. Der Wagner Ferdinand Lehmann machte sie für 3,50 M., und der Schmied Karl Stubig beschlug sie für 1,40 M. Über die Höhe der Vergütung für das Anstecken und Löschen der Laternen gab es wiederholt Differenzen zwischen dem Beauftragten und der Gemeinde. 1907 wurden 74 Mark festgesetzt und beschlossen, die Arbeit jährlich zu vergeben. 1910 wurde dann aber wieder ein Vertrag auf unbestimmte Zeit für eine jährliche Entschädigung von 110 Mark abgeschlossen. In den Vertrag war die Bestimmung aufgenommen, dass „bei mondheller Nacht die Laternen nicht angezündet zu werden brauchen.“  1908 wurden von Wörsdorf noch einmal 3 Laternen für 5,50 M das Stück gekauft, nachdem die Bewohner des Idsteiner Wegs (heute Taunusstraße) auch eine Straßenbeleuchtung forderten. Ganze 9 Jahre waren die Petroleumlampen im Gebrauch. Im März 1914 schloss die Gemeinde mit dem Mühlenbesitzer und Stromlieferanten Hofmann einen Vertrag über die Installierung einer elektrischen Straßenbeleuchtung. Hofmann lieferte seit 1907 von der Walkmühle aus elektrischen Strom. Die neue Beleuchtungsart setzte sich jedoch nur langsam durch. Im Jahre 1907 soll es erst ca. 10 Anschlüsse gegeben haben. Nach dem Vertrag hatte Hofmann die Lampen nach Angaben des Gemeindevorstands anzubringen und 1 Jahr Garantie zu leisten. Pro Lampe sollte er mit Lieferung 50 Mark erhalten. Der Preis für die Kilowattstunde wurde auf 40 Pfg. festgesetzt. 1915 verbrauchten die Lampen mit 32 kerzigen Osrambirnen 381 Kilowattstunden.  Die alten Laternen wurde für den Gesamtpreis von 3 Mark abmontiert und im März 1914 zusammen mit der Ölkanne und der Leiter für 10 Mark und 5 Pfg. an Walsdorfer Bürger verkauft. 60 Pfennig wurde für eine Lampe und 10 Pfg. für die Ölkanne erlöst.

Helmuth Leichtfuß

 

 

In Walsdorf kann niemand mehr zu „Engels“ gehen.

Im Herbst 2001 wurde mit dem Lebensmittelgeschäft am Pfarrbogen eine der letzten alten Walsdorfer Einrichtungen geschlossen. Die Walsdorfer nannten es einfach „Engels“. Das Geschäft wurde 1928 von Karl und Lisa Engel gegründet. Der erste noch ganz einfache Laden befand sich in einer Ecke des Wohnzimmers der Familie Engel in ihrem Haus am Pfarrbogen, dort, wo nun inzwischen ein Reisebüro eingerichtet worden ist. Angeboten wurden anfangs hauptsächlich Tabak und Süßigkeiten. Von der Gründungszeit an half die Tochter der Familie Engel, Irma, im Geschäft mit. Sie war 1909 geboren und fast ihr ganzes Leben lang aufs engste mit dem Geschäft verbunden. Karl Engel, der den Sohn Robert sogar studieren ließ, war darauf bedacht, seinen Kindern den Lebensunterhalt für die Zukunft zu sichern. So sollte der Laden die Existenzgrundlage der Tochter Irma sein, die ihn dann auch offiziell übernahm. 1932 wurde das Wohnhaus durch einen Anbau nach hinten hin erweitert, indem auf die Grundmauern eines der Walsdorfer Türme gebaut wurde. Dadurch gab es Raum für ein neues Wohnzimmer, während das alte nun ganz dem Ladenraum zugeschlagen wurde. Der Laden wurde jetzt auch mit einer Theke und mit Regalen  ausgestattet und das Warensortiment auf  alle gängigen Lebensmittel entscheidend erweitert. Zu dieser Zeit gab es vor dem Haus, da wo heute der Bürgersteig verläuft, auch noch ein Gärtchen. Ebenfalls im Jahre 1932 heirateten Irma Engel und Hermann Fritz, der später überwiegend in der im Hof hinter dem Haus 1938/39 eingerichteten Werkstatt als Wagner tätig war. Ihr Sohn Winfried brachte 1956 durch seine Heirat mit der Walsdorferin Ursel Leichtfuß eine Frau in die Familie, die seither ebenfalls aufs engste mit dem Lebensmittelgeschäft verbunden war. Ihr Leben wurde von vielerlei Arbeit bestimmt: Sie war nicht nur Hausfrau und Mutter, sondern auch gefordert im Laden und in der Landwirtschaft. Für das Geschäft war der nächste Entwicklungsschritt 1956 gekommen, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Der Laden bekam nicht nur einen neuen, separaten Eingang und erstmals ein Schaufenster (im heutigen Reisebüro), sondern auch eine völlig neue Einrichtung - unter anderem mit Kippschubladen - ,die von der Schreinerei Frenzel angefertigt worden waren. 1968 wurde der Laden verlagert in einen neuen, eigenen Raum, der durch den Ausbau der nebenan stehenden Scheune gewonnen wurde. Dadurch konnten der Wohnraum wieder voll als solcher genutzt und das Geschäft - nun auch mit Lagerraum - auf insgesamt 100 qm Verkaufsfläche vergrößert werden. Zugleich wurde das Geschäft - der Zeit gemäß - als Selbstbedienungsladen eingerichtet. Neben dem Lebensmittelgeschäft hatte die Familie Fritz  außer der Landwirtschaft ein weiteres wirtschaftliches Standbein. Winfried Fritz, der 1950 noch als Wagner seine Gesellenprüfung abgelegt hatte, orientierte sich auf ein Lohnunternehmen hin. Mit entsprechenden Maschinen ausgerüstet, bot er Kartoffeldämpfen, Dreschen, Holzschneiden und Unkrautspritzen (mit Unimog) an. Mit dem Kartoffeldämpfer, der z.B. in dem neuen Bildband über Walsdorf auf S. 77 zu sehen ist, fuhr man auch auf die Höfe der Bauern. Wozu nun die vielen gedämpften Kartoffeln? Sie wurden zu Silofutter verarbeitet. Was das Dreschen anbetrifft, so gab es eine Dreschgesellschaft, an der verschiedene Bauern Anteil hatten. 1952/53 wurde durch das Lohnunternehmen Fritz eine Dreschhalle errichtet und zwar an der Stelle, an der später der Kindergarten  gebaut wurde. Das Unternehmen konnte 1957 den ersten Mähdrescher anschaffen. Bis etwa 1960 wurde mit zwei Maschinen gedroschen. - Das Lohnunternehmen wurde von Winfried Fritz und seinem Vater Hermann (beide auf dem erwähnten Foto beim Kartoffeldämpfer zu sehen) bis 1970 geführt und dann wegen Krankheit aufgegeben. Das Ladengeschäft aber, das Irma und Ursel Fritz gemeinsam betrieben, bestand noch bis ins neue Jahrtausend hinein. Es war - besonders auch nach der Schließung des Geschäfts des sog. „Bier-Gustav“ - die wichtigste Anlaufstelle für alle, die am Einkauf ihrer Lebensmittel im eigenen Dorf interessiert waren. Darüber hinaus diente es den Dorfbewohnern natürlich wie alle die kleinen Geschäfte im Ort als Treffpunkt. Die Zahl der Einkäufer nahm verständlicherweise mit steigender Mobilität der Dorfbewohner und mit zunehmender Konkurrenz durch die großen Handelsketten mit ihren Supermärkten in Idstein, Bad Camberg und Esch immer weiter ab.

So konnte das Geschäft schließlich nicht mehr rentabel geführt werden und geriet in die Verlustzone. Daher sah sich Ursel Fritz gezwungen, am 29.9.2001 das Geschäft zu schließen, das so viele Jahre ihres Lebens beherrscht hatte. Ihre Schwiegermutter, mit der sie sich die Betreuung des Geschäfts jahrzehntelang geteilt hatte, hatte sich schon vorher - hoch betagt - von dieser Arbeit zurückziehen müssen. Sie lebt seit Februar 2000 in einem Seniorenheim im Goldenen Grund.  Nicht untypisch für unsere Zeit erscheint mir die Tatsache, dass sich nun mit dem schon mehrfach erwähnten Reisebüro an Stelle von „Engels“ Geschäft, das früher die Menschen mit dem Lebensnotwendigen versorgte, ein Unternehmen etabliert hat, das sich um die Freizeit der Menschen kümmert.

(Nach einem Interview mit Ursel und Winfried Fritz im Januar 2002)

 Isolde Buck

 

 

Die aktuelle Leitungswasser-Qualität

Die Stadt Idstein gibt nachfolgend die aktuellen Härtegrade unseres Leitungswassers bekannt: In Walsdorf haben die beiden Bereiche (Tief- und Hochzone) jeweils 11,8° d.H. und einen pH Wert von ca. 8,2. 11,8° deutscher Härte entspricht  mittelharten Wasser und liegt damit dem Härtebereich 2. Dies sollten alle Verbraucher insbesondere bei der Einstellung von Wasch- und Spülmaschinen beachten, um sowohl Maschinen - wie auch Umweltschäden zu vermeiden. Dasbach (15,1° d.H.) liegt zusammen mit Idsteiner Härtewerten (14,0° – 18,1° d.H.) deutlich über, Heftrich (2,5°d.H.) und Kröftel (6,4° d.H.) ebenso deutlich unter unseren Wasser-Härte-Werten.

Thorsten Hohl

 

 

Vom Gulden zum Taler und vom Taler zur Mark

Wir, die wir die Einführung der DM im Jahre 1948 und des Euro 2002 erlebten, sind nicht die einzigen, die sich zu Lebzeiten an zwei verschiedene Zahlungssysteme gewöhnen mussten. Die Nassauer mussten es im 19. Jahrhundert gleich dreimal. Während der Zeit des Herzogtums von 1806 bis 1866 waren Gulden (fl), Kreuzer(xr) und Pfennig das offizielle Zahlungsmittel. 4 Pfennige waren 1 xr, 60 xr 1 fl. Bei der Kleinstaaterei und der Konkurrenz zweier Münzsysteme in Deutschland (Preußen und die norddeutschen Länder prägten aus der Kölnischen Mark Feinsilber 14 Taler, die Süddeutschen, zu denen Nassau gehörte, 14 ½ Taler) ist es nicht verwunderlich, dass viele Münzsorten in Umlauf waren, was von jedem einzelnen verlangte, dass er über den Wert der Münze Bescheid wusste. Bei der Kontrolle der Gemeindekasse 1837 z.B. hatte der Gemeinderechner Brabanter Taler, ganze, 1/3 und 1/6 Berliner Taler, Badische Taler und Groschen als Barbestand.

Nach dem Anschluss Nassaus an Preußen 1866 waren Taler, Silbergroschen und Pfennige die offiziellen Zahlungsmittel. 12 Pfennige waren 1 Silbergroschen, 30 Silbergroschen 1 Taler.

Seit 1873 schließlich wurde mit der Reichsgoldwährung die Mark zu 100 Pfennig in ganz Deutschland als einheitliche Währung eingeführt.

Helmuth Leichtfuß

 

 

Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe im 20. Jahrhundert. (Teil 3)

Handwerk und Gewerbe erlitten im  20. Jahrhunderts ein ähnliches Schicksal wie die Landwirtschaft. Der größte Teil der über Jahrhunderte hinweg ausgeübten Berufe, die hauptsächlich der Versorgung der einheimischen Bevölkerung dienten, verlor seine Existenzgrundlage. Verursacht wurde diese Entwicklung, die schon im 19. Jahrhundert begonnen hatte und der hauptsächlich die Leine- und Wollweber zum Opfer gefallen waren, durch die fortschreitende Industrialisierung der Wirtschaft und den Strukturwandel der Bevölkerung. Der Wandlungsprozess hat sich im letzten Drittel des Jahrhunderts dramatisch beschleunigt. Wenn die meisten Gewerbetreibenden und Handwerker nicht nebenbei noch eine kleinere oder größere Landwirtschaft betrieben hätten, hätten sie sich sowieso nicht so lange halten können.

Die folgende Untersuchung stützt sich auf eine Erfassung aller landwirtschaftlichen und handwerklichen Betriebe aus dem Jahre 1907, eine Wählerliste von 1919, eine Personenstatistik aus dem Jahre 1939, eine Aufstellung des Bürgermeisters vom Jahre 1950 und Gewerbesteuerlisten  in den Gemeinderechnungen von 1962 und 1967.

Handwerksberufe und Gewerbe 1900 bis 1967 

Beruf/Gewerbe

1907

1919

1939

1950

1962

1967

Bäcker

4

4

5

4

2

1

Baugeschäft

 

 

 

 

1

1

Bergmann

1

1

 

 

 

 

Büchsenmacher

1

 

 

 

 

 

Dämpfkolonne

 

 

1

1

1

1

Drechsler

5

5

4

2

2

2

Drogerie

 

 

1

1

1

1

Fliesenleger

 

 

 

 

2

1

Friseur

 

1

2

2

2

1

Gartengestaltung

 

 

 

 

1

1

Gärtnerei

 

 

1

1

1

1

Gastwirtschaft

5

5

6

6

6

7

Getränkehandlung

 

 

 

1

1

3

Glaser

1

1

 

 

 

 

Hausmetzger

*

5

5

5

4

4

Hirte

1

 

 

 

 

 

Kfz. Reparaturwerkstatt

 

 

 

1

1

1

Kolonialwarenhändler

4

4

5

4

5

5

Korbmacher

1

1

1

 

 

 

Küfer

1

1

 

 

 

 

Kurzwaren

 

2

3

4

3

2

Landesprodukte, Kohle, Fuhruntern.

 

 

 

1

1

1

Landwirtschaftliche Geräte

1

1

1

1

1

 

Maurer

17

20

13

*

*

*

Metzger

3

3

2

3

2

2

Müller

2

3

3

3

1

1

Öle, Fette, Waschmittel

 

 

1

1

1

1

Pflasterer

1

1

1

1

1

1

Sattler

1

2

2

2

1

 

Schäfer

1

 

 

 

 

 

Schlosser

2

2

2

1

1

1

Schmied

2

2

2

2

2

2

Schneider

4

3

2

1

 

 

Schneiderin

 

 

5

4

2

1

Schreiner

7

3

3

3

3

3

Schuhmacher

9

5

3

3

1

1

Simmermacher

1

 

 

 

 

 

Spengler

 

1

1

1

1

2

Stuckateur

1

6

 

 

 

 

Tüncher

2

4

4

6

2

3

Verkaufstelle Backwaren

 

 

 

 

1

1

Verkaufstelle Fleisch- und Wurstwaren

 

 

 

 

1

1

Versicherungsvertreter

 

 

 

 

2

1

Viehhandel

 

 

1

 

1

1

Wäscherei

 

 

 

 

1

 

Wagenbau

 

 

 

 

1

1

Wagner

2

2

3

3

2

1

Zimmerleute

5

9

12

*

*

*

Zimmergeschäft

 

 

1

1

 

 

* Keine Angaben

 

 

 

 

 

 

Die Angaben in der vorliegenden Statistik muss man unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Schon im ersten Drittel des Jahrhunderts war das Aus für eine Reihe von Handwerken gekommen. Betroffen waren Glaser, Büchsenmacher, Küfer, Schäfer, Bergmann (für die Okerförderung) und Simmermacher in Walsdorf. (Simmer = Holzgefäß) Die betroffenen Handwerker konnten sich gegen die industrielle Produktion oder den chemischen Fortschritt nicht behaupten bzw. ihre Dienste waren, wie im Falle des Schäfers, nicht mehr gefragt, weil die  Menschen  bessere und feinere Garne kaufen konnten. Wenn man sich die Handwerke oder Gewerbe der Bäcker, Metzger, Gastwirte und Kolonialwarenhändler ansieht, deren Produkte oder Dienstleistungen von der gesamten Bevölkerung in Anspruch genommen wurden, kann man feststellen, dass sie lange Zeit relativ konstant waren. Bis in die 60er Jahre existierten immer mehrere Geschäfte nebeneinander. Das änderte sich gravierend im letzten Drittel des Jahrhunderts. 1999 gab es in Walsdorf keinen Bäcker mehr und auch nur noch einen einzigen Metzger bzw. Kolonialwarenladen. Es stiegen die Anforderungen  an die Breite des Angebots, und  im Gefolge der Motorisierung war es leicht, einen Supermarkt zu erreichen. Auch eine Gastwirtschaft war in der überlieferten Form auf Dauer nicht erfolgreich zu führen. Durch den Bau des Dorfgemeinschaftshauses wurden außerdem die mit den Gastwirtschaften verbundenen Säle  als Übungsräume oder für Tanzvergnügen nicht mehr nachgefragt. Andere, wie Schuhmacher, Schneider, Drechsler oder auch Schreiner, die in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch zahlreich vertreten waren, konnten sich gegen die Konkurrenz industriell gefertigter Waren nicht behaupten, es sei denn, dass sie sich wie z. B. die Schreiner auf Bauschreinerei umstellten. Handwerke, die den Bedarf der Landwirtschaft deckten, wie Wagner, Schmiede, Sattler oder der Produzent von landwirtschaftlichen Geräten verloren mit dem dramatischen Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe ebenfalls ihre Existenzgrundlage. Eine besondere Betrachtung erfordern auch die Maurer, Stuckateure, Tüncher und Zimmerleute. Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert wie auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts  hatten diese Berufe im Zusammenhang  mit dem Ausbau der Industriezentren Hochkonjunktur. Ganze Kolonnen arbeiteten als Saisonarbeiter im Rheinland und kehrten über die Wintermonate in ihre Heimat zurück. Viele von ihnen wurden aber auch dort ansässig.

 Eröffnung neuer Chancen.

Die Elektrifizierung, die Motorisierung und der verstärkte Einsatz von Metall hatte auch neue Berufsbilder zur Folge. Elektriker, Spengler und Installateur, Metallbauer, Kraftfahrzeugschlosser, Radio- und Fernsehtechniker  wurden begehrte Lehrberufe. Auch im Dienstleistungsbereich  machten sich in den letzten Jahren eine Reihe von Unternehmerinnen und Unternehmern selbständig. Das reicht von Gartengestaltung über Blumenladen, Architektenbüro, Kosmetikstudio, Fußpflege, Gebäudereinigung, Importhandelsagentur, Verlag, Rundfunk und Fernsehen, Steuerberater bis zu einem Schreibservice. Eine weitere bemerkenswerte Veränderung besteht darin, dass es den Ein-Mann-Nebenerwerbsbetrieb nicht mehr so häufig wie früher gibt. Im Gegenteil, besonders die Bau- und Baudekorationsgeschäfte sowie der Fliesenlegerbetrieb beschäftigen eine Reihe Mitarbeitern. Auch die jetzige und die zukünftige Generation muss sich darauf einstellen, dass immer wieder die Anpassung an veränderte Bedingungen erforderlich ist; im Zuge der Globalisierung vielleicht noch stärker als im letzten Jahrhundert.

Helmuth Leichtfuß

 

 

Informationen zur Ockerförderung bei der diesjährigen Frühjahrswanderung

Über 50 Jahre lang wurde in der Walsdorfer Gemarkung Ockererde gefördert, die als Farbkörper für Mal- Anstrich- und Druckfarben verwendet wurde. Gegraben wurde sie im Schafgraben, in der Flur am Berg, in der Hölle, auf der Wart und im Erlenstück. Grubenreste sind noch am sog. Ockerloch am Mittelhangweg, in der Blauen Kreide am Escherweg und am mittleren Bürgerwalder Weg im Erlenstück zu sehen. Die geförderte Ockererde wurde sowohl auf der Morcher Mühle als auch auf der Walkmühle gemahlen und verarbeitet. Die Unternehmer kamen von auswärts und waren fast alle Grubensteiger oder Bergingenieure. Der älteste Beleg stammt aus dem Jahre 1875. Da erhielten die Gebrüder Achard aus Friedrichsdorf die Schürfrechte für den Abbau von Farberde im Schafgraben. 23 Jahre haben sie für ca. 70 Schuh pro Jahr 6 Mark Lagergeld bezahlt. Mit dem 1. April 1898 kam es in Wegfall, weil der Lagerplatz nicht mehr benutzt wurde. Ockerförderung im Distrikt am Berg und auf der Wart ist zum erstenmal im Jahre 1880 belegt. Der Obersteiger Ernst Krenzer aus der Nähe von Dillenburg, der 1877 in Walsdorf eine Tochter des Morchermüllers Zeiger geheiratet hatte, wird als Grubenbesitzer der Grube am Berg bezeichnet und erhält von der Gemeinde die Erlaubnis, einen „Gewannenweg im Felddistrikt Berg für das Jahr 1880/81 gegen eine Entschädigung von 30 Mark“ zu benutzen. Von Grubenarbeiten auf der Wart im Jahre 1880 wissen wir, weil Wilhelm Becker mit 5 Mark gestraft worden war. Er hatte „der Aufforderung, die beiden Schürflöcher auf der Wart zuzuwerfen oder vorschriftsmäßig einzufrieden, nicht Folge geleistet“. 1897 wurde die Grube auf der Wart noch betrieben. Der  Knecht des Kronenwirtes zu Würges wurde in diesem Jahre nämlich bestraft, „weil er am Gründonnerstag im Distrikt auf der Wart während des Hauptgottesdienstes auf einen mit 2 Pferden bespannten Wagen Ocker geladen und auch während des Gottesdienstes damit durch die Ortsstraßen gefahren “war. Wilhelm Becker war Grubensteiger und stammte von Hirschhausen an der Oberlahn. 1875 hatte er in Walsdorf geheiratet und wohnte im Haus seines Schwiegervaters in der Untergasse. Erst sein Sohn Willi übernahm nach dem ersten Weltkrieg die Morchermühle. Eine Enkelin Willi Beckers ist noch im Besitz der Morcher Mühle. „Ockerbeckers“ hießen Becker und seine Nachkommen lange bei den Walsdorfern. Becker hat auch im Erlenstück Ocker gefördert 1890 beantragte er nämlich bei der Gemeinde, ihm die „Erbauung einer Hütte aus Holz und Fachwerk mit einem Ziegeldach in den Erlen“ zu genehmigen. Auch die Firma Hendorf und Gens war 1889 im Erlenstück am Abbau von Ocker beteiligt. Aus einem Abkommen mit der Gemeinde aus dem Jahre 1888 wissen wir, dass Wilhelm Becker für 1 Tonne Ockerde erster Sorte 10 Mark und zweiter Sorte 5 Mark an die Gemeinde zahlte. Wilhelm Beckers Sohn Emil, der bei Grubenarbeiten eine schwere Kopfverletzung erlitten hatte, erhielt im Jahre 1915 noch eine Genehmigung der Gemeinde, Ocker abzubauen. Wie lange er noch Ocker förderte, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. 1926 verunglückte er auf der Landstraße Camberg Würges tödlich. Das Geschäft mit dem Ocker war wahrscheinlich nicht sehr lukrativ, was sich aus dem häufigen Wechsel der Mühlenbesitzer schließen lässt. 1882 wird Gustav Wolf von Frankfurt am Main als Besitzer der Morchermühle genannt, 1888 der Bergingenieur Albert Kästner von Sondershausen, 1890 Tielmann, 1892 wird vermerkt, „dass die Firma Hendorf und Gens von der Morchermühle Konkurs angemeldet hat. Adolf Tielmann ist verschollen.“ 1897 wird Wilhelm Müller als Morchermüller erwähnt und 1899 Hugo Faulhaber von Ostpreußen. Als „Betreiber der Farbmühle Walkmühle“ wird 1882 die Firma Merkel und Co von Idstein genannt. Wie lange auf den einzelnen Mühlen Ocker gemahlen wurde, ist nicht genau bekannt. Die Herstellung von Farben aus Naturstoffen erhielt große Konkurrenz durch die chemische Farbherstellung. Über primitive Abbaumethoden war man auch nicht hinausgekommen. Die Schächte waren ca. 20 Meter tief. Von da aus wurden Stollen in das Erdreich getrieben. Zur Förderung errichtete man aus Stämmen 3 bis 5 Meter hohe Dreiböcke und zog die Förderkörbe mit Flaschenzügen oder Winden in die Höhe. Die Belüftung erfolgte durch einen großen Windtrichter, der nach dem Wind gedreht werden musste und von dem die Frischluft durch Rohre in die Stollen geleitet wurde.

Quellen: Beschlussbücher des Gemeinderats und gebundene Jahresrechnungen ab 1875

Helmuth Leichtfuß

 

 

Redaktion:

Monika Kiesau, Helmuth Leichtfuß, Manfred Wetzel