Rund um den Hutturm

Bürgerbrief  Nr. 1 

1. Juli  1978

 

Inhalt

 

Über den Verein

Stadtentwicklungsplanung im Stadtteil Walsdorf

Was sonst noch im Dorf passiert ist ...

 

Herausgeber: Bürgerverein Walsdorf e.V.

 

 

 

 

 

 

 

ÜBER DEN VEREIN

Walsdorfs Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft:

das ist der weite Themenbereich, mit dem sich der im November 1977 gegründete überparteiliche Bürgerverein beschäftigen will. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit läßt sich am einfachsten erklären. Wir haben zwei historische Arbeitskreise gebildet:
Der erste historische Arbeitskreis soll sich dem Teil der Geschichte unseres Ortes zuwenden, den niemand von uns miterlebt hat. Hierfür liegt eine reiche schriftliche Tradition seit dem 8. Jahrhundert vor. Teilweise sind die Urkunden bereits veröffentlicht worden. Der größte Teil füllt jedoch noch einen ganzen Raum des ehemaligen Rathauses. Für jeden geschichtlich Interessierten gibt es hier vielfältige Möglichkeiten. Oder bestünde hier nicht für manchen die Gelegenheit, ein neues Hobby zu entdecken? Niemand braucht irgendwelche Scheu zu haben zu kommen, da fast alle Laien sind. Zwei gelernte Historiker werden die nötige Hilfestellung geben. Begonnen haben wir mit der Lektüre der Beschlußbücher des Gemeinderates des 19. Jahrhunderts, um uns in die deutsche Schrift einzulesen. Es soll dann das Archiv geordnet werden, um mit dem Material arbeiten zu können. Das Endziel sollte sein, später einmal eine Geschichte des Ortes zu schreiben. Dazu bedarf es der Mitarbeit vieler; denn wie es Pfarrer Deissmann vor über hundert Jahren im Alleingang tat, ist es heute nicht mehr zu schaffen. Seine Geschichte des Klosters soll im Herbst neu erscheinen, und zwar in einer korrigierten und erweiterten Ausgabe.
Der zweite historische Arbeitskreis will sich mit den letzten Jahrzehnten beschäftigen und einmal festhalten, welche tiefgreifenden Veränderungen diese Zeit auch Walsdorf gebracht hat. Wir brauchen dabei nur an die Technisierung der Landwirtschaft, das Abwandern vieler Bauern in andere Berufe, das Auslaufen von Handwerksbetrieben und die vielen Zugezogenen seit dem 2. Weltkrieg zu denken, um zu ermessen, wie sehr sich das Walsdorf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von
dem des vorigen unterscheidet. Zunächst sollen diese Veränderungen einmal optisch festgehalten werden. Zu diesem Zweck soll eine Sammlung alter Fotos aufgebaut werden.
Der dritte Arbeitskreis lädt alle ein, die sich für die weitere Entwicklung unseres Ortes interessieren. Die
politische Einstellung spielt dabei keine Rolle. Der Arbeitskreis möchte sich über die Planungen der politischen Gremien informieren, Anregungen dazu beisteuern und eigene Initiativen zur Verbesserung des Lebens in Walsdorf bringen. Aus der Gründungszeit unseres Vereins bestehen gegen diesen Teil unserer Vereinsarbeit manchmal noch gewisse Vorurteile. Sie rühren zum einen daher, daß die Idee zur Gründung des Vereins zunächst von Mitgliedern der Bürgerlichen Wählergruppe kam. Aber sehr bald wurde klar, daß diese Art von Verein nicht Teil einer Partei sein kann, sondern Interessen aller Bürger berührt. Erfreulicherweise ist es uns gelungen, als Mitglieder Walsdorfer zu gewinnen, die den verschiedenen Parteien angehören oder nahe stehen bzw. parteipolitisch nicht gebunden sind. So können wir von unserer jetzigen Zusammensetzung her sagen, daß wir wirklich neutral sind.
Das zweite Vorurteil kommt wohl daher,
daß man den Begriff "Kommunalpolitik" nur für die Parteien reservieren möchte. Aber geht Politik in einer Demokratie nicht jeden etwas an? Sollte nicht jeder mitdenken und mitreden? Die allermeisten finden nicht den Weg zu einer Mitgliedschaft in einer Par­tei. Im Bürgerverein soll die Gelegenheit geboten werden, ohne Festlegung auf ein bestimmtes Programm aktiv werden zu können.
Wir sind also keine Bürgerinitiative, kein Neben-Ortsbeirat und auch keine Nebenorganisation einer Partei. Beispiele für Aktivitäten machen das Gesagte vielleicht deutlicher. Um uns zu informieren und den Politikern möglicherweise auch Anregungen zu geben, haben wir mit dem Vortragsabend über den Stadtentwicklungsplan begonnen. Die Sanierung des alten Dorfes wäre ein weiteres Thema.
Vieles zur Verbesserung und Verschönerung unseres Dorfes ließe sich auch in Eigeninitiative tun. In der letzten Sitzung unterhielten wir uns z.B. über den Grillplatz, der ja 1976 von Walsdorfern gebaut wurde. Hier soll im Sommer durch die Ortsvereine eine Hütte errichtet werden, und im Herbst müßten wohl mehr Bäume und Sträucher gepflanzt werden. Sicher haben viele von Ihnen Ideen, die man zusammen mit anderen verwirklichen könnte. Deshalb! "Kommen Sie doch einfach einmal zu unserem nächsten Treffen!"

- Wir treffen uns alle vier Wochen in den Arbeitskreisen.

- Daneben wird es Veranstaltungen für den gesamten Verein und auch die Nichtmitglieder geben. Die
nächsten Veranstaltungen können Sie dem Veranstaltungsplan entnehmen.

Mit dem "Bürgerbrief" wollen wir Sie drei- bis viermal im Jahr
über die Arbeit in unserem Verein informieren. Außerdem wollen wir in ihm darüber berichten, wie es früher einmal in Walsdorf war und wie es weitergehen wird. Anregungen und Leserbriefe (auch zu Veröffentlichung) sind stets willkommen, Das Sammeln der einzelnen Nummern wird sich, so hoffen wir, lohnen. Außerdem hoffen wir, daß wir durch Spenden und Einnahmen bei unseren Veranstaltungen auch die nächsten Bürgerbriefe kostenlos abgeben können.

Der Vorstand:
Vorsitzender:   Gerhard BUCK, Am Borngraben
Stellvertretender Vorsitzender: Erich ROTH, Waldhof
Schriftführerin: Dietlinde SCHULTE zu SODINGEN, Gartenfeldstr.
Kassierer:  elix HARTMANN, Idsteiner Straße
Sprecher des  1. historischen Arbeitskreises: Helmut LEICHTFUSS, Am Borngraben,
Sprecher des 2. historischen Arbeitskreises: Emil HOHL, Idsteiner Straße
Sprecher des 3. kommunalpolitischen Arbeitskreises: Uwe ROHNSTOCK, Am Michelsbaum

Gerhard Buck

 

 

 

STADTENTWICKLUNGSPLANUNG IM STADTTEIL WALSDORF

Am 28.2.1978 startete der Bürgerverein Walsdorf sein Informationsprogramm mit einem Beitrag über die Stadtentwicklungsplanung. Hierzu sprach Bürgermeister MÜLLER einige einleitende Worte. Er begrüßte die Gründung des Bürgervereins und gab der Hoffnung Ausdruck, daß er sich mit dem Ortsbeirat und den übrigen Vereinen dafür einsetzt, die planerischen Vorstellungen mit der historischen, Entwicklung Walsdorfs in Einklang zu halten.
In einem anschaulich gestalteten Vortrag ging so dann Herr Launspach von der Stadtverwaltung Idstein auf Zielvorstellungen für Idstein und seine eingemeindeten Ortsteile, besonders aber auf die Stadtplanung für Walsdorf, ein: Abgesehen von Raumordnungsgutachten sowie
verschiedenen Gutachten über die allgemeine Bevölkerungsbewegung wird bei planerischen Überlegungen von einem Anwachsen der Einwohnerzahl Walsdorfs auf 1.800 bis zum Jahr 2000 ausgegangen. (1978 rund 1350 Einwohner).
Wichtigster wirtschaftlicher Faktor Walsdorfs wird wegen der Bodenqualität die Landwirtschaft bleiben. Die gleichbleibende Tendenz der bestehenden
ca. 125 gewerblichen Arbeitsplätze läßt die Ausweisung von Gewerbegebieten wenig sinnvoll erscheinen, zumal sich die Standortbedingungen für Gewerbeansiedlungen in Walsdorf ungünstig darstellen. Kleineren Gewerbebetrieben könnten sich bestehende ggf. sanierbare Hofreiten anbieten.
Walsdorf soll weiterhin ein ländlicher Wohnort mit geringer, nicht störender Gewerbeansiedlung, umgeben von landwirtschaftlichen Nutzflächen, bleiben.
Die in die Planung einbezogene mögliche Ausweisung weiterer Baugebiete - "Auf der Weide" oder "Riedelfeld / Beckersgraben" - ist jedoch nicht problemlos; eine endgültige Entscheidung auch nicht vor Ende 1979 zu erwarten: So ist sorgfältig zu prüfen, ob der bisherigen „flächenfressenden Individualbebauung“ noch Zukunft eingeräumt werden darf.  Ein Gutachten über eine mögliche Beeinträchtigung der Wasserqualität des Tiefbrunnens bei einer Bebauung des "Riedelfeldes" ist abzuwarten.
Vor- und Nachteile in Bezug auf die Erschließung des einen oder anderen Baugebietes und Verkehrsprobleme wie die gefährliche Linienführung der L 3026 innerorts Walsdorfs
sind ebenso in die Überlegungen einzubeziehen wie die Entscheidung über eine Entwidmung landwirtschaftlich wertvollen Bodens bei einer Bebauung "Auf der Weide".
Wenig
Chancen werden der Realisierung einer wohl wünschenswerten Umgehung Walsdorfs im nordwestlichen Bereich zur Entschärfung der L 3026, zumindest in absehbarer Zeit, eingeräumt.
Die Wasserversorgung ist auch durch weiteren Betrieb eigener Brunnen nicht als gesichert
anzusehen. Hier wird der Ausbau der überörtlichen Versorgung bei gleichzeitiger Erweiterung des Fassungsvermögens des derzeitigen Hochbehälters vorrangig sein. 

Uwe Rohnstock

 

 

 

WAS SONST NOCH IM DORF PASSIERT IST ...

In seiner Geschichte von Tobias Knopp beginnt Wilhelm Busch ein Kapitel mit den Worten:

„Liebe, sagt man gut und richtig, ist ein Ding, das äußerst wichtig. Nicht nur zieht man in Betracht, was man selber dabei macht; nein, man ist in solchen Sachen auch gespannt was andere machen. So geht im Dorf denn ein Gemunkel, daß im Garten - wenn es dunkel, Julchen Knopp mit Försters Fritze heimlich wandle oder sitze."
Das war hier und überall schon immer so und wird es auch bleiben. Auf dem Walsdorfer Friedhof, links unterhalb der Kapelle, ist das Grab von Hauptlehrer Heinrich Dambeck und seiner Frau Dorothee, geb. Ohly, meiner Großtante. Wenn diese, vor bald
100 Jahren, ihre Schwägerin in der Ennericher Schule besuchte, und das geschah in regelmäßigen Abständen, dann pflegte sie die Plauderstunde mit den Worten einzuleiten: "Also Luwiss, Du glaubst nit, was in dem große Ort alles passiert!" Ja, und dann gab es nichts, was sich in der Bannmeile "Rund um den Hutturm" in Rathaus, Kirche und Schule, in Familien, Haus und Hof, Gärten, Wiesen, Feld und Wald, bei Tag und wenn es "dunkel" ereignet hätte, über das nicht berichtet und das vor allen Dingen nicht kommentiert wurde.

Für uns, in der Familie aber blieb der Ausspruch, von Tante Dorothea Dambeck: "Was in dem große Ort alles passiert!"
ein geflügeltes Wort und ist es bis heute geblieben.
Lassen wir es auch ein Motto sein für unseren Bürgerbrief und helfen wir alle, über das, was rund um den "Walsdorfer Hutturm" geschehen ist und geschieht, zu berichten.

Gustav Lehmann