Rund um den Hutturm

Der Bürgerbrief Nr. 63

September 1994

 

Inhalt:

Die Walsdorfer Gemeinderechnung vor 100 Jahren

Übrigens... Begriffe, die schon fast in Vergessenheit geraten sind

Die Europawahl vom 12.06.1994

Gemeindeämter in der 2. Hälfte des 17. Jhdts. ( 2. Teil ).

Herausgeber Bürgerverein Walsdorf e.V.

 

 

 

 

 

 

 

Die Walsdorfer Gemeinderechnung vor 100 Jahren

Die wirtschaftliche Bedeutung des Gemeindewaldes

Im Rechnungsjahr 1893/94 erzielte die Gemeinde neben den Steuereinnahmen aus dem Holzverkauf und der Nebennutzung des Gemeindewaldes mit 9933,75 Mark mit Abstand die höchsten Einnahmen. Daneben nehmen sich die Einnahmen aus dem Verkauf von Sand und Kies aus der Emsbach mit 23,30 M., von Gras in den Feldwegen und an den Ufern mit 78,40 M., von Obst mit 9,80 M., den Gebühren für die Benutzung der Gemeindewaage in Höhe von 13,10 M., aus den Strafbescheiden mit 50,90 M. oder der Hundesteuer mit 108 M. bescheiden aus. An Stammholz wurde in diesem Jahr hauptsächlich Eichen und Fichten und auffallend wenig Buchen geschlagen. An Brennholz verkaufte die Gemeinde 162 Rm (Raummeter) Eichen, 299 Rm Buchen, 57 Rm Nadelholz, 2400 Eichenwellen, 3600 Buchenwellen und 1510 Nadelholzwellen. Die Nebennutzung bestand aus dem Verkauf von 131,25 t Ockererde an den Ockermüller Wilhelm Becker von Walsdorf für 72,70 M., aus der Verpachtung der Schafweide auf den Waldwegen und Schneißen von Mai bis zum Kornschneiden für 133 Schafe für 13,30 M. und der Abgabe von 127 Karren Streulaub wegen des geringen Ernteertrages im letzten Jahr für 63,53 M. Mit 7602 M. brachte der Wald der Gemeinde einen beträchtlichen Überschuß. Unkosten für den Wald entstanden in Höhe 2331,31 M. Sie teilten sich wiefolgt auf: die Ausgaben für die Holzwerbung betrugen 1654,41 M., für den Kulturplan 268,77 M., für die Besoldungsanteile für den Förster und Oberförster 398,12 M. und für sonstiges wie die Verwaltung des Holzmagazins, für Formulare und Bindedraht für die Wellen 16,01 M. Mit den Ausgaben für die Kulturarbeiten im Wald wurden hauptsächlich die Kosten für die Aussaat von Eicheln, das Freischneiden der Fichtenpflanzungen und der Eichel- und Buchensaaten und die Ausbesserung der Holzabfuhrwege bestritten. 

Die Nutzung der Viehwaage

Die Wiegegebühren für ein Stück Rindvieh betrugen 20 Pfg., für Kleinvieh, also hauptsächlich Kälber und Schweine, 10 Pfg. Gewogen wurden 31 Stück Großvieh und 69 Stück Kleinvieh von 58 Besitzern, wovon 19 zweimal verzeichnet sind. Wenn man sich vor Augen hält, daß nur 26 von 58 Viehhaltern ein Stück Großvieh für den Verkauf gewogen haben, der Rest nur ein Kalb und ein Schwein oder zwei Schweine zum Verkauf anbieten konnte, dann kann man sich ein Bild von den bescheidenen Barmitteln der Bauern im ausgehenden 19. Jhdt. machen, denn die Erträge an Getreide und Kartoffeln waren zu dieser Zeit auch noch wesentlich niedriger als heute. Außerdem lag der Eigenverbrauch höher, weil die Familien zahlenmäßig noch größer waren. Da wundert es einen nicht, wenn die Angehörigen unserer Elterngeneration, die das ausgehende Jahrhundert als Kinder erlebt haben, berichteten, daß für eine sechs- bis achtköpfige Familie in der Regel nur ein Schwein für den Eigenverbrauch geschlachtet wurde. 

Strafgelder 

Durchschnittlich wurde als Strafe der Betrag von einer Mark festgesetzt. Geahndet wurden damit 26 Obstdiebstähle, 5 Flurschäden, die mit Fuhrwerken angerichtet worden waren, und zwei Fälle, in denen für einen beschäftigten Taglöhner keine Versicherungsmarken für die Invaliditäts- und Altersversicherung eingeklebt waren. In besonderen Fällen kamen auch höhere Strafen vor. Einmal waren es 6 M., weil ein Bürger über die gebotene Polizeistunde in einer Wirtschaft saß und diese auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht verließ und außerdem gegenüber dem Bürgermeister auch noch falsche Angaben gemacht hatte. Mit 3,90 M. wurde ein Einwohner von Würges bestraft, dessen 13 Gänse ohne Aufsicht das frisch ausgesäte Korn auf den Feldern abgefressen hatten. 3 M. mußte ein Metzger aus Niedernhausen bezahlen, weil er im Winter abends um 1/2 7 sein Fuhrwerk ohne Beleuchtung auf der Dorfstraße stehen ließ. Schließlich wurde eine hiesige Witwe mit 2 Mark bestraft, weil sie Mineralwasser aus dem Niederselterser Brunnen in unverkapselten Krügen an eine Gastwirtin in Wörsdorf verkauft und damit gegen eine Verordnung der früheren nassauischen Landesregierung von 1825 verstoßen hatte. Schulstrafen in Höhe von 20 Pfg. für jeden versäumten Tag erhielten die Erziehungsberechtigten von 13 Schülern/innen für insgesamt 19 versäumte Unterrichtstage ohne ausreichenden Entschuldigungsgrund. 

Brunnenarbeiten

An der nahezu 60 Jahre alten gußeisernen Wasserleitung aus der Laubach mußten 1893/94 größere Reparaturarbeiten ausgeführt werden. Für einen zweiten Rohrstrang auf eine Länge von 500 m wurden am 3. Juli die Grundarbeiten an Ort und Stelle an 18 Walsdorfer Bürger versteigert. Für den cbm Erde auszuheben wurden je nach Bodenbeschaffenheit zwischen 28 und 40 Pfg bezahlt. Zwei Tage später wurde das Legen und Verdichten der alten Brunnenröhren versteigert. Gustav Götz von Walsdorf erhielt als billigster Anbieter von 12 Pfg. pro lfd. Meter vom Gemeindevorstand der Zuschlag. Ihm wurde zur Auflage gemacht, vor dem Beginn des Legens "die an den alten Rohrsträngen befindlichen schadhaften Rohrstücke sowie die langen Rohrstränge zu 10 bis 12 Röhren durch Erwärmen über Feuer auseinanderzubringen resp. zu teilen. Die erforderlichen Materialien als Blei, Hanf und dergleichen, welche zum Verdichten verwendet werden, hat der Übernehmer zu stellen, dagegen wird das Holz zum Verteilen der alten Stränge und zum Schmelzen des Bleis von der Gemeinde geliefert." 

Die Gemeindebediensteten und ihre Vergütung 

Bürgermeister Ochs war 1893 zum zweitenmal wiedergewählt und mit Schreiben des Landrats vom 19.12.1893 für die nächsten 6 Jahre bestätigt worden. In dem Schreiben heißt es weiter:" Es wird erwartet, daß derselbe Sr.Majestät dem Kaiser und König treu und gehorsam sein, die ihm obliegenden Amtspflichten gewissenhaft erfüllen und sich in jeder Weise stets so betragen werde, wie es sich für einen Beamten geziemt." Mit Verfügung vom 17. Januar 1894 teilt der Landrat dem Bürgermeister mit, daß ihm der Kreisausschuß "die ihm für die neue Dienstperiode zustehende Entschädigung für Auslagen und Zeitversäumnis pp wie folgt festgesetzt hat: 

a) Entschädigung für Auslagen und Zeitversäumnis .540 M.
b) Schreibmaterialien-Vergütung........   ..................          25 M. jährlich."

Mit der neuen Verfügung war die Besoldung des Bürgermeisters um 40,- M. erhöht worden. Der Ortsdiener Ludwig Keller erhielt als Vergütung 144,- M. und für die Stellung der Dienstkleider 16,- M. Die Vergütung für den Feldhüter Karl Göbel, der am 10. Dezember 1893 aus dem Dienst schied und für den Wilhelm Hohl 2. angenommen worden war, betrug für das Jahr 280 M. Der Feldschütz Hohl wurde jedoch schon wieder am 15. Februar 1895 wegen Nichterfüllung des Vertrags entlasssen. Der Nachtwächter August Göbel erhielt für seinen Dienst 150 M. im Jahr. 

Quelle: Rechnungsbelege der Gemeinde Walsdorf 1893/94

Helmuth Leichtfuß 

 

 

Übrigens....Begriffe die schon fast in Vergessenheit gefallen sind! 

Übrigens...strippen, streppen

Am Aschermittwoch 1671 wurde u.a.gerügt, daß" des Schweinehirten Bub im Graß Hafer getript"hat. Strippen oder streppen, wie es hier geläufig ist, hat zweierlei Bedeutung: 1. etwas durch die Finger ziehen, abstreifen. So werden etwa Bohnestangen, Laub oder Johannisbeeren abgetreppt. Aber nicht nur mit der Vorsilbe ab-, sondern auch mit den Vorsilben runter- und über- kommt streppen vor. Beispiele: Die Strümpfe runterstreppen oder schnell ein Hemd übertreppen. Auch wenn sich z.B. ein Hund oder Kalb aus dem Halsband befreit hatten, hieß es, sie hätten sich übergetreppt. Daß strippen in manchen Gegenden auch die Bedeutung von melken hatte, hat sich in dem bekannten Kindervers gehalten: Stripp, strapp, strull, ist der Eimer nit bald vull? 2. etwas oder geringe Mengen stehlen, wohl vom eiligen Abstreifen oder Abreißen des Obstes her zu verstehen. Z.B. Kirschen, Äpfel, Bohnen oder, wie in dem oben erwähnten Beispiel, Hafer stehlen. Vergl.Grimm, Bd.19, Spalte 1620 f.

Übrigens... Schnurch, Schnerch: 

stern 1670 werden unter den Abendmahlsgästen u.a."Johann Adam Stamm und dessen Schnurch" aufgeführt. Hier erscheint das Wort noch in seiner ursprünglichen Bedeutung und bezeichnt die Schwiegertochter. Schnur ist ein altes Wort und indogermanischen Ursprungs.  In dieser Bedeutung habe ich das Wort jedoch nicht mehr kennengelernt. Wenn es einmal gebraucht wurde, dann in Wendungen wie: "Was wird denn die alte Schnerch schon wieder wollen, bestimmt nur die Neugierde einnehmen." Die Bedeutung des Wortes hatte sich also nicht nur gewandelt, indem es keine bestimmte Frauensperson mehr bezeichnete, sondern hatte jetzt auch einen eindeutig negativen Klang. Vergl. Grimm, Bd. 15, Sp. 1394

Übrigens...Lads Mensch, ladser Balsch, lads Werrer ü.ä.:

Die Zahl der Schimpfworte und Wendungen, in denen das umgangssprachliche "lad" vorkommt, ist beträchtlich. Das Adjektiv "lad" in den angeführten Wendungen geht auf das alt- und mittelhochdeutsche "leit" zurück und wurde in der neuhochdeutschen Schriftsprache durch leidig ersetzt. Ursprünglich hatte das Adjektiv die Bedeutung von feindlich, verhaßt. In den angeführten Wendungen hat es die Bedeutung von böse, schlecht oder häßlich.  Vergl. Grimm, Bd. 12, Sp. 651 f.

Übrigens...Haudern, Hauderer:

In Goethes Gedicht "An Schwager Kronos" heißt es in der ersten Strophe: "Spude dich, Kronos! Fort den rasselnden Trott! Bergab gleitet der Weg; ekles Schwindeln zögert mir vor die Stirne dein Haudern..."  Die Lektüre des Gedichts hat mir den Ausdruck aus der Fuhrmannssprache wieder in Erinnerung gerufen. Vornehmlich Holzfuhrleute wurden Hauderer genannt, wenn sie mit ihren Pferdefuhrwerken in oft aufgeweichten und ausgefahrenen Waldwegen Baumstämme abfuhren und dabei mit Peitschenknallen und markigen Zurufen an die Pferde nicht sparten. Zum Haudern gehört im Gegensatz zum Fahren das Laute und die extreme Kraftanstrengung der Pferde.

Übrigens...Bakel:

"Was hat der denn da für einen Bakel" hieß es z.B., wenn jemand einen dicken Knüppel oder Stock in der Hand trug. Das Wort kommt vom lateinischen baculum = Stock, Stab.

Übrigens...Baladin:

"Bind einen Baladin um, damit du dich nicht erkältest", lautete eine übliche Ermahnung bei schlechtem Wetter. Gemeint war ein gestrickter Wollschal. Das Wort wurde aus dem Französischen übernommen und meinte ursprünglich einen Halspelz. Angeblich soll die Palatin genannte pfälzische Halsbekleidung von den Hofdamen der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans an den französischen Hof gebracht worden sein. Später bezeichnete das frz. palatine eine dem Halspelz ähnliche, vorn herabhängende Halsbekleidung aus zartem Stoff. (Vergl. Grimm, Bd. 13, Sp. 1411)

Übrigens...Zieche:

Zieche bezeichnete eine sackartige Hülle, die mit Haferspreu gefüllt wurde und, bevor die Leute sich Matratzen leisten konnten, als Unterbett auf dem Strohsack lag. Es handelt sich um ein frühes Lehnwort, das die Germanen aus dem Lateinischen übernommen haben. Die älteste Bedeutung war Sack. Dann wurde es weithin als Überzug über das Unterbett, mehr aber noch als Überzug über die Bettdecke gebraucht. In dieser Bedeutung wurde es jedoch im Laufe der Zeit durch die feinere Bezeichnung Bettbezug verdrängt.  (Vergl. Grimm, Bd. 31, Sp.893)

Helmuth Leichtfuß

 

 

Die Europawahl vom 12. 06. 1994

Zum vierten Mal wurden in diesem Jahr die Bürger/innen der Staaten der Europäischen Union aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Auch dieses Mal war die Wahlbeteiligung in allen Ländern wieder relativ gering, z.T. wesentlich geringer als bei Wahlen zu den nationalen Parlamenten. In Walsdorf war sie mit 52,3 % so niedrig wie bei keiner der vorhergehenden Europawahlen. (1979 : 57,6 % , 1984 : 52,4 % , 1989 : 58,6 %) 

Weder die Tatsache, daß das Straßburger Parlament noch kurz vor der Europawahl über die Erweiterung der Europäischen Union beschlossen und damit eine wichtige Entscheidung getroffen hatte, noch die Diskussionen um den Maastricht - Vertrag konnten mehr Bürger/innen mobilisieren als früher. Eine stärkere Resonanz in der Bevölkerung und eine eindrucksvollere Bestätigung des Europäischen Parlamentes wären für die Bestrebungen und die Notwendigkeit zu seiner Kompetenzerweiterung gegenüber dem Ministerrat sicher förderlich gewesen. Allem Anschein nach haben sich aber die negativen Auswirkungen Brüsseler Entscheidungen etwa in den Bereichen Kohle und Stahl oder der Landwirtschaft stärker im Bewußtsein der Bürger/innen festgesetzt als die Vorteile, die die Europäer durch den Zusammenschluß hatten und haben. Hinzukommen mag, daß sich bei vielen das Gefühl einstellt, daß man mit seiner Stimme in einem so großen Gebilde noch viel weniger ausrichten kann als im eigenen Lande. Andererseits muß man jedoch auch sagen, daß sich die Parteien in dem Wahlkampf nur unzureichend engagierten und die Zielsetzungen für die nächsten vier Jahre nicht so griffig formulierten, daß der Aufforderungscharakter der Wahlaufrufe überzeugend gewesen wäre.  Und noch ein Weiteres ist m.E. nicht nur für die geringe Wahlbeteiligung, sondern auch für die geringe Attraktivität der europäischen Einrichtungen ausschlaggebend. Politische Ziele und Richtungen werden im allgemeinen mit Personen verbunden. Unter diesem Aspekt hatten die auf den Wahlzetteln ausgedruckten Namen der Listenbewerber jedoch nur eine ganz geringe, wenn überhaupt eine Aussage- bzw. Anziehungskraft. 

Im Folgenden werden die Wahlergebnisse von Walsdorf, der Stadt Idstein und dem Rheingau - Taunuskreis zusammengestellt und die Gewinne und Verluste auf den drei Ebenen miteinander verglichen. Erstaunlich ist immer wieder, wie sich allgemeine Trends auswirken, wobei es ja doch völlig zufällig ist, wer zur Wahl geht. Wer die letzten Ergebnisse mit den Ergebnisse der früheren Europawahlen vergleichen will, findet die entsprechenden Zahlen im Bürgerbrief Nr. 46. 

Wahlberechtigte in Walsdorf: 1190
Wähler: 568
Briefwähler: 54
Wähler gesamt: 622 = 52,3 %
ungültige Stimmen: 10 = 1,8 %
Stimmanteile der Parteien:
SPD CDU Grüne REP F.D.P. Bd. freier Bürger Sonstige
Walsdorf  35,6 % 39,8 % 11,4 % 4,2 % 3,3 % 1,6 % 2,3 %
Stadt Idstein 29,4 % 38,8 % 14,2 %4,8 % 4,0 % 6,6 % 2,0 % 3,5 %
Rhg.Ts.-Kreis  30,2 % 40,1 % 12,8 % 4,8 % 5,7 % 1,9 % 3,6 %
Die Stimmen der Sonstigen verteilten sich wie folgt:
ÖDP: 1 ; BP: 1 ; CM: 2 ; APO: 1 ; Naturgesetz: 2 ; NPD: 2 ; PDS: 2 ; STATT-Partei: 2

Helmuth Leichtfuß

 

 

Gemeindeämter in der 2. Hälfte des 17.Jhdts. ( 2.Teil )

Schultheiß Johann Andreas Hirtes 2.Teil

Vergleich mit den Steinfischbachern 1666 

Schon bald nach seinem Amtstritt wurde der Schultheiß und das Gericht von Walsdorf auch wieder einmal mit der leidigen Angelegenheit der Nutzung des Waldes und Feldes auf der Heide, der Hardt, der Schmalbach und des Helköfer Feldes befaßt. Ausgelöst wurden die Streitigkeiten durch die Pfändung von Eichenstämmen durch die Fischbacher.  Heute würde man sagen, die vorgesetzte Behörde wurde mit der Angelegenheit befaßt. Und so schlichteten Beamte der nassauischen und usingischen Herrschaft am 4. Dezember in Esch den Streit und brachten einen Vergleich zustande, der folgende Bestimmungen enthielt. 

1."Weil beyderseits gesehen worden, daß durch das verderbliche Kriegswesen die Weydt uf der Schmalbach und Escherfeld gantz verwachsen und das Viehe fast nicht mehr genießen könne, sollen die Walsdorfer alles Holz, ausgenommen Eichen und Büchen und den starken Fichten, welche zum Bauen dienlich, innerhalb von drei Jahren aushauen und zu ihrem Nutzen gebrauchen, nach Verfließung der 3 Jahre, wofern etwas von Holtz wieder darauf wachsen sollte, wird selbiges zu beyden Gemeinden Willkür gestellt." 
 2. Für die Hardt wurde eine frühere Abmachung zwischen den Gemeinden Walsdorf und Steinfischbach bestätigt, wonach die Steinfischbacher den Walsdorfern "umb ein gewisses Stück Geld" den alleinigen Weidgang dort eingeräumt hatten. Auf dem Ackerfeld sollten die Walsdorfer befugt sein, alles Holz auszuräumen. Im Wald aber sollen die jungen aufwachsenden Bäume, "die zur Frucht oder Bauen dienlich sind", stehen bleiben. Auch hier sollen beide Gemeinden das Bauholz gemeinsam nutzen. 
3. Die zum Pfand genommenen Bäume, von denen angeblich auch Soldaten welche genommen hatten, sollen wieder zurückgegeben werden. Um in Zukunft "alle Irrungen und Mißverständnisse" auszuschließen, soll jede Gemeinde einen Förster bestellen, "welche täglich hinausgehen, auf diejenige, so schädlich Holtz hauen, fleißig Aufsicht haben, die Verbrecher rühen und bey haltenden Gerichtstagen zu Steinfischbach anbringen." Der Eintrag im Gerichtsbuch schließt mit dem lapidaren Satz: "Uf diesen Streit in allem an Unkosten bey der Cantzley und in Esch ufgangen 14 Rthl. (= 21 Gulden) vermög Bürgermeisterrechnung." 

Quellen:  Walsdorfer Urkunden;  Walsdorfer Gerichtsbuch 1665 - 1746;  Walsdorfer Gemeinderechnungen 1644 - 1699; Walsdorfer Kirchenbuch I; Grabstein des Schultheißen Hirtes

Schultheiß Johann Balthasar Preußer

Johann Balthasar Preußer war der dritte Schultheiß in dieser Jahrhunderthälfte und amtierte von 1682 bis 1689 oder 1690. (Sein Sterbedatum läßt sich wegen einer Lücke im Kirchenbuch nicht genau feststellen. Jedenfalls wird im März 1690 sein Nachfolger der Gemeinde vorgestellt.) Auf Seite 69 des Walsdorfer Gerichtsbuches vermerkt er eigenhändig: "Auf heutt datto den 23 Janary 1682 bin ich Johann Baltaßer Preußer mitt Verwillung meines Gnästen H.H. undt graven seiner wollbestellten Rett und Beamtten allß Schulteiß vorgestelt wortten Gott gebe ferner seinen Segen darzu".J.B.Preußer war Barbier und noch nicht lange Walsdorfer Bürger. 1675 war er als Witwer mit einem Sohn, der auch wieder Barbier wurde, nach Walsdorf gekommen. Über seinen Herkunftsort gibt es weder im Kirchenbuch noch im Gerichtsbuch eine Auskunft. In Walsdorf heiratete er am 28.September 1675 Anna Dorothea Kreppel, die älteste Tochter des Schusters Adam Kreppel, mit der er sieben Kinder hatte, von denen das letzte am 6. März 1689 geboren wurde. Von den 7 Kindern überlebten jedoch nur 2. Auf Aschermittwoch 1676 wurde er zum Bürger angenommen. In der Gemeinderechnung von 1676 wird festgehalten, daß er mit 10 Gulden die Hälfte seines Bürgergeldes und einen Backhausgulden in die Gemeindekasse einbezahlte. Nach einem Eintrag im Kirchenbuch wird er bereits 1678 Mitglied des Walsdorfer Gerichts. 

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schultheißen

Zwei Schatzungen, nämlich ein Verzeichnis der Häuser vom 25.10.1679 und eine Landschatzung von 1691 geben Aufschluß über die Vermögensverhältnisse Preußers. Nach dem Gebäudeverzeichnis besaß er 2 Häuser, 2 Scheuern und einen unbebauten Hausplatz mit einem Schätzwert von 180 Gulden. Mit dem Wert seiner Gebäude lag er an vierter Stelle. Die Gebäude hatte seine Frau als offensichtlich einziges überlebendes Kind des Schusters und Witwers Adam Kreppel, der zwischen Weihnachten 1675 und Pfingsten 1676 gestorben war, geerbt. Nur Daniel Seyberth, Hans Thiel und Philipp Erich Ochs lagen mit einem Schätzwert von 221 fl bzw 207 und 190 Gulden höher als er. Bei der Landschatzung lag seine Witwe, die am 17.November 1691 in zweiter Ehe Johann Nikolaus Leichtfuß heiratete, mit 1215 Gulden an dritter Stelle hinter Daniel Seyberth (1610 fl) und Philipp Erich Ochs (1261 fl).

Bemerkenswertes aus der Amtszeit

Außer einigen Verträgen, die der Schultheiß und das Gericht mit Handwerkern abgeschlossen hat, und der Schlichtung von Zivilstreitigkeiten zwischen Bürgern ist aus der Amtszeit Preußers im Gerichtsbuch bzw.in den Gemeinderechnungen leider nichts Besonderes festgehalten worden.  

Schultheiß Tobias Carl Rüger

Tobias Carl Rüger wurde am 20.März 1690 der Gemeinde als neuer Schultheiß vorgestellt. Auch er hat seinen Dienstantritt im Gerichtsbuch eigenhändig festgehalten.  "Uff heutt dato den 20 Märtz bin ich Tobias C.Rüger mitt Verwilligung gnädiger Herrschaft zu einem Schuldeißen zu Wallstorff vorgestellet worden Gott gebe ferner seinen Segen darzu".Rüger amtierte bis zum Jahre 1712 und wurde "wegen seines bösen Haushaltens abgelöst". In den Gemeinderechnungen der entsprechenden Jahre ist kein plausibler Grund für diese Entscheidung zu finden, denn die Einnahmen liegen im Rahmen, und die Ausgaben übersteigen nur selten die Einnahmen, und dann auch nur geringfügig. Ob evtl. im Jahre 1712 , als er Bürgermeister (d.i. Gemeinderechner) war, etwas vorgefallen ist, läßt sich aus der Rechnung dieses Jahres und der Abhörung durch den neuen Schultheißen nicht erkennen. Tobias Carl Rüger war am 15. Sonntag nach Trinitatis 1654 getauft worden. Seine beiden Vornamen, die in Walsdorf ganz aus der Reihe fielen, verdankte er seinem einzigen Paten, dem "Tobias Carolus Müller, Mundkoch und Küchenschreiber zu Itzstein, als des Pfarrers Schwager." Sein Vater Georg Christian Rüger war ein Sohn des ehemaligen Walsdorfer Klosterkellers Michael Rüger, der aus Coburg stammte. Georg Christian Rüger war seit 1650 Pfarrer in Walsdorf. Er war über die Stationen Neuweilnau (1630), Ostheim (1636),
Hohenweisel (1644) und Wörsdorf (1649) in sein Heimatdorf zurückgekommen. Georg Christian Rüger wurde von dem Idsteiner Superintendenten Erytropylos als "guter Prediger und ein guter Schulfuchs und auch als guter Musikus" bezeichnet. Tobias Carl war das achte Kind des Pfarrers, das dritte, das in Walsdorf geboren wurde. Sein drei Jahre älterer Bruder Johann Bernhard hatte nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1683 die Pfarrstelle in Walsdorf übernommen und sie bis zu seinem Tode am 19. Februar 1731 betreut. Zwei weitere Brüder waren ebenfalls Pfarrer; Johann Georg in "Rhod in der Embs", und Hans Conrad in Esch. 
Tobias Carl Rüger war zweimal verheiratet. 1685 heiratete er eine Tochter des Walsdorfer Bügers Johann Enders Sauer und 1699 eine Tochter des Pfarrers Schmidt von Steinfischbach. Er hatte insgesamt 11 Kinder, von der ersten Frau sechs, und fünf von der zweiten. Er starb am 27.Januar 1734 im Alter von 79 Jahren. 

Die wirtschaftlichen Verhältnisse 

Seine wirtschaftlichen Verhältnisse waren gut. Bei der Gebäudeschätzung vom 21. Juni 1698 werden sein neugebautes Haus, eine neue und eine alte Scheuer und zwei Plätze auf 380 Gulden geschätzt, womit er an sechster Stelle von allen Beteiligten lag. Über seinen Landbesitz liegen keine Unterlagen vor. 

Bemerkenswertes aus seiner Amtszeit 

Das hervorstechendste und folgenreichste Vorkommnis in der Dienstzeit des Schultheißen Rüger war zweifellos der große Brand vom September 1692, dem der größte Teil des Fleckens zum Opfer gefallen war. (Vergl. den Artikel im Bürgerbrief Nr.58) Wenn in den Gemeinderechnungen und in dem Gerichtsbuch im Vergleich zu dem Ausmaß des Unglücks auch nur spärliche Hinweise auf den Brand und die Lage der Bürger zu finden sind, so besteht jedoch kein Zweifel, daß die Planung und der Wiederaufbau des Fleckens und die Beseitigung der Brandfolgen für die Gemeinde und ihre Bürger den Schultheißen und das Gericht stark beanspruchten. Einen kleinen Einblick in die Schwierigkeiten, denen sich die Gemeindebehörde und die Bürger gegenüber sahen, gibt die Antwort des Fürsten vom 19. 10. 1692 auf die 11 Punkte umfassende Eingabe der Walsdorfer, in der sie um Erleichterung bei den Abgaben und Unterstützung bei der Beseitigung der Brandfolgen bitten. (S.im einzelnen: Bü-Br.58, S.14) Mit diesem örtlichen Unglück war es jedoch noch nicht genug. Der Pfälzische Krieg Ludwigs XIV, von dem auch das Fürstentum Nassau-Saarbrücken betroffen war, belastete finanziell die Bürger in den neunziger Jahren ebenfalls beträchtlich, so daß der Schultheiß wohl nicht um sein Amt zu beneiden war.

Quellen: Walsdorfer Gerichtsbuch 1665 - 1746; Walsdorfer Gemeinderechnungen 1644 - 1699; Walsdorfer Urkunden; Walsdorfer Kirchenbuch I

Helmuth Leichtfuß

 

Redaktion: Monika Kiesau, Helmuth Leichtfuß, Manfred Wetzel